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EU-Wiederaufbaufonds darf keine Dauereinrichtung werden

Ausgabejahr 2021
Datum 11.03.2021

Pressemitteilung zum Sonderbericht zum EU-Wiederaufbaufonds

„Der EU-Wiederaufbaufonds organisiert schuldenfinanzierte Transfers zwischen den Mitgliedstaaten. Er etabliert zudem eine Haftung, bei der die Mitgliedstaaten gegenseitig für Verbindlichkeiten einstehen. Faktisch handelt es sich um eine Vergemeinschaftung von Schulden und Haftung – eine Zäsur. Für den Bundeshaushalt birgt das erhebliche Risiken,“ sagte der Präsident des Bundesrechnungshofes Kay Scheller anlässlich der Zuleitung eines Sonderberichts zu den möglichen Auswirkungen der gemeinschaftlichen Kreditaufnahme der Europäischen Union auf den Bundeshaushalt an Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung. „Die finanziellen Auswirkungen werden bis weit in die nächste Generation zu spüren sein. Über ihre künftigen Beiträge zum EU-Haushalt haften die Mitgliedstaaten für 750 Milliarden Euro neue Schulden. Diese sollen über 30 Jahre getilgt werden. Offen ist aber, wer wann welchen Beitrag leistet. Als Kriseninstrument in einem Akt der Solidarität geschaffen, darf der Wiederaufbaufonds in einigen Jahren nicht zu einer Zerreißprobe für die EU werden. Das gilt es zu verhindern. Und: die Fiskalregeln finden auf diese Schulden keine Anwendung. So eröffnet die Konstruktion einen Weg, die Fiskalregeln zu umgehen. Dies verringert den Anreiz zur eigenverantwortlichen Vorsorge und schwächt die Haushaltsdisziplin. Das alles muss der Gesetzgeber bei seiner Willensbildung im Blick haben, wenn er in den nächsten Wochen über dieses Kriseninstrument berät.“

Haftungsrisiken für den Bundeshaushalt begegnen

Erstmals in ihrer Geschichte wird die Europäische Union über Anleihen erhebliche Mittel am Kapitalmarkt aufnehmen und den Mitgliedstaaten überwiegend als nicht-rückzahlbare Zuschüsse zur Verfügung stellen. Denn mehr als die Hälfte dieser Schulden – 390 Milliarden Euro – werden nicht unmittelbar von den Empfängern, sondern über den EU-Haushalt getilgt. Als Garantie für alle Schulden des Wiederaufbaufonds steht der EU-Haushalt. Damit haften die Mitgliedstaaten hierfür gemeinschaftlich über ihre künftigen Beiträge zum EU-Haushalt. Für den Bundeshaushalt birgt der Wiederaufbaufonds so erhebliche Risiken. Seine Finanzierung bedeutet deswegen eine grundlegende Änderung der europäischen Haushalts- und Finanzarchitektur. Denn ein solches Haftungsregime schließt die sogenannte „Nichtbeistandsklausel“ in den europäischen Verträgen grundsätzlich aus.

Fehlender Tilgungsplan
Für die Kredite, die aus dem EU-Haushalt getilgt werden sollen, gibt es keinen verbindlichen Tilgungsplan. Deutschland wird voraussichtlich 65 Milliarden Euro mehr zahlen, als es selbst Zuschüsse bekommt. Klar ist bislang nur, dass die Kredite im Zeitraum 2028 bis 2058 über den EU-Haushalt zurückgezahlt werden. Offen ist aber, welcher Anteil dann auf welchen Mitgliedstaat entfällt. Diese Frage soll Gegenstand zukünftiger Verhandlungen sein. Um zu verhindern, dass sich die Mitgliedstaaten später nicht einigen können oder wollen, empfiehlt der Bundesrechnungshof, die Rückzahlungen schon jetzt in einem verbindlichen Tilgungsplan festzulegen.

Wiederaufbaufonds ist übersichert
Die EU sichert die Schulden des Wiederaufbaufonds mit ihrem Haushalt ab. Um die Bonität zu gewährleisten, wird die sogenannte „Eigenmittelobergrenze“ erhöht. Das führt zu einem enormen Garantievolumen von mindestens 4 000 Milliarden Euro: fünfmal höher als das Volumen des Wiederaufbaufonds selbst. Eine Garantie in diesem Umfang ist nicht erforderlich; beim Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) wurden 40 % als ausreichend erachtet. Dieser Spielraum könnte Begehrlichkeiten wecken, Spekulationen über eine Verstetigung der Verschuldung befeuern und dazu verleiten, den Tilgungsbeginn hinauszuzögern. Der Bundesrechnungshof empfiehlt, das Garantievolumen deutlich zurückzuführen.

Kriseninstrument nicht als Dauereinrichtung
Die Praxis zeigt: In Krisenzeiten auf EU-Ebene eingeführte Instrumente verstetigen sich regelmäßig. So hat der ESM beispielsweise die zuvor eingerichteten temporären Rettungsschirme mittlerweile dauerhaft abgelöst. Dabei wird häufig ausgeblendet, dass die Kosten und Risiken in der jeweiligen Krise, nicht aber auf Dauer gerechtfertigt sind. Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung sollten verhindern, dass sich die gemeinschaftliche Kreditaufnahme zu einer Dauereinrichtung entwickelt.

Fiskalregeln anwenden
Die Fiskalregeln begrenzen die nationalen Defizite und Schuldenstände. Sie gelten jedoch nicht für EU-Schulden. Die Mitgliedstaaten könnten sich also auf EU-Ebene theoretisch unbegrenzt verschulden und sich diese Mittel dann als Zuschüsse selbst zuweisen. Die enorme Übersicherung des Fonds setzt dazu bedenkliche Anreize. Darunter kann die Haushaltsdisziplin leiden. Um dies zu verhindern, sollten die Schulden des Wiederaufbaufonds anteilig auf die Schuldenstände der Mitgliedstaaten angerechnet werden. So würden die nationalen Fiskalregeln auch für EU-Schulden greifen und disziplinierend wirken.

Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion sichern

Der Wiederaufbaufonds will Voraussetzungen schaffen, unter denen die Mitgliedstaaten die negativen wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abfedern können und besser für zukünftige Krisen gewappnet sind. Um die EU langfristig zu stärken, sollten die Fondsmittel genutzt werden, um die Strukturen in den Mitgliedstaaten widerstandsfähiger gegen Kriseneinflüsse zu machen. Daher sollten die Hilfen aus dem Wiederaufbaufonds mit Reformauflagen verknüpft werden, die auf den Abbau eben dieser strukturellen Defizite abzielen und die Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten stärken. Gelingt dies nicht, könnte dies langfristig die Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion gefährden. Mit Folgen für den Bundeshaushalt: Durch vergemeinschaftete Schulden steigen die Haftungsrisiken für die einzelnen Mitgliedstaaten.

Hintergrund

Für den Wiederaufbaufonds mit 750 Mrd. Euro nimmt die EU gemeinschaftliche Schulden auf. Diese Mittel werden als Zuschüsse und Darlehen an die Mitgliedstaaten weitergereicht. Er ist als temporäres Aufbauinstrument angelegt, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie in den EU-Mitgliedstaaten zu bekämpfen. Dem Bundesrechnungshof ist bewusst, dass die Einführung des Wiederaufbaufonds politisch gewünscht und auf EU-Ebene beschlossen ist. Bundestag und Bundesrat beraten aktuell über das „Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz“. Wenn sie das Gesetz verabschieden, stimmen sie neben dem Haushalt der EU bis zum Jahr 2027 auch der geplanten Finanzierung des Wiederaufbaufonds zu. Mit seinem Bericht berät der Bundesrechnungshof den Gesetzgeber, um dessen Budgetrecht und die parlamentarische Kontrolle zu stärken sowie mögliche Fehlentwicklungen und Risiken transparent zu machen.

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